C wie Chiara, D wie Davonfliegen

Buchbesprechungen

Kindheit ohne Wärme

Mannheimer Morgen

mhm

 

Vor den Treppengeistern hat die kleine Chiara keine Angst, sie sind weder böse noch gefährlich, bedauerlich nur, dass sie gegen Melancholie so wenig ausrichten können, gegen das Gefühl, allein zu sein. Und dieses Gefühl beschreibt die 1949 in Italien geborene und zurzeit in Fürth (Odenwald) lebende Autorin Ida Casaburi in ihrem Roman "C wie Chiara und D wie Davonfliegen" mit großer Kunst. Sie gewährt Einblicke in die Seele eines Kindes, das unter der Gefühlskälte seiner Eltern leidet und dem Gift mancher Worte.

 

Schwere Fragen thematisiert. "Unbegabt" ist noch das harmloseste. Der Titel des Buches kontrastiert ironisch mit dem düsteren Inhalt. Wer eine humorvolle, heitere Lektüre erwartet hat, wird überwältigt sein von der Schwere der Fragen, die im Raum stehen. Die Autorin

strukturiert den Familienroman durch Kapitel, die Überschriften tragen wie "A wie Abschied" oder "G wie Gift". Diese signalisieren, wie hier der Fundus einer an Anekdoten reichen Sippe ausgeschlachtet wird. Schon früh hat Chiara die verlogene Moral ihrer Eltern durchschaut und sich innerlich abgewandt, indem sie sich eine eigene Welt erschuf.

Ein wenig Magie ist darin und die Liebe einer älteren Freundin, Violette.

 

Diese schenkt Chiara an Weihnachten eine Staffelei und lehrt sie, Träume auf dem Papier festzuhalten: "Träume seien ungeöffnete Briefe, geheime Botschaften aus einem Land voller Fantasie, ohne die man sich nicht genug in die Luft erheben könne." Mit bezaubernder Sprachkraft beschreibt Casaburi den Alltag der Heldin, das Maß ihrer Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit. Daran misst sich auch die Leidenschaft, mit der diese sich in Antoine, Violettes Freund, verliebt. Abtreibung, Betäubungs- und Selbstmordversuche, die schwierige Beziehung zu Francesca, ihrer Tochter, all das lässt am Ende wenig Hoffnung zu. Und doch: Bei Pascal, einem Wesensverwandten, löst sich der innere Knoten und Chiaras Bedürfnis, sich mitzuteilen, führt zu ihrem Buch "Vergiftete Leben".

 

 EKZ

Ute Horak-Mayr

 

Leicht hat es die kleine Chiara nicht. Sie wächst in einer kleinen Provinzstadt am Fuße des Vesuvs auf, als ungewolltes Kind, geplagt von einer mysteriösen Krankheit. Ihre Mutter ist nur mit sich selbst beschäftigt, der Vater bringt sich um. Früh verlässt sie ihr Elternhaus, hängt sich an die falschen Männer und wird schwanger. Ihre Tochter entgleitet ihr und wieder flieht sie. Doch diese Fluchten sind das Mutigste, was sie tun kann, denn nur dadurch kann sie überleben.

 

Auch in ihrem 3. Buch fesselt Ida Casaburi durch ihren außergewöhnlichen  Sprachstil. Lakonisch, beobachtend und doch sehr warmherzig erzählt sie von einem Leben voller Brüche, das schrecklich hätte enden können, aber einfach immer weitergeht und 

weitergeht, bis daraus am Ende doch eine glückliche, selbstbewusste Frau erstanden ist.

 

Wie "Das Hausmädchen mit dem Diamantohrring" (ID-A 19/11) kein Selbstläufer, aber eine Bereicherung für jeden größeren Belletristikbestand.

 

 Eine bittersüße, aufreibende und witzige Odyssee

Bina Lisa

Amazon  

 

Mit „C wie Chiara, D wie Davonfliegen“ finden wir uns im Leben von Chiara Alberti wieder, begleiten sie auf dem Weg vom kleinen Mädchen zur Frau und auf dem viel längeren hin zu Selbstbestimmung und Verständnis. Zunächst prägen die Schatten ihrer Kindheit über lange Zeit weiter ihr Schicksal. Die verzweifelte Suche nach nie gekannter Liebe treibt sie in die falschen Arme, mit ungeahnten Konsequenzen. Dabei ist es die Sehnsucht nach einer

besseren Welt, nach dem Davonfliegen, die sie am Leben hält.

 

Eine stete Grenzerfahrung, für Chiara wie für den Leser: zwischen Mut und Enttäuschung, Vergangenheit und Zukunft, Sein und Nichtsein, Verlassen und Verlassenwerden, inneren Kräften und quälenden Schmerzen körperlicher und seelischer Natur. Diesen Schwebezustand hält die Autorin fast über den gesamten Roman aufrecht.

 

Nun darf man Chiaras Geschichte keineswegs auf die Tragödie reduzieren, von der in ihr erzählt wird. Zweifellos wäre das Lesen für mich nicht diese intensive, angenehm aufkratzende Erfahrung geworden ohne die wunderbare Ironie und den immer wieder anklingenden schwarzen Humor des Romans. Die Beschreibungen der italienisch-französischen Orte und Nebenfiguren tragen ebenfalls dazu bei, dass auch in düsteren Zeiten von Chiaras Biografie immer wieder ein seltsamer Spaß erzeugt wird.

 

Zusammen mit den traurigen, durch und durch berührenden Momenten liefert uns Ida Casaburi eine Farbpalette aus Dunkelgrau und Bunt, vieldeutig und wie so viele Leben nur bedingtes Glück verheißend. Möglicherweise formt gerade diese Schonungslosigkeit das besondere Lesevergnügen, das hier zu finden ist. 

 

 Die Kinder sind immer die Opfer und aus Opfern werden Täter

Dieter Wunderlich

 

Chiara Alberti wächst ohne Geschwister auf, und zwar in dem Bewusstsein, ein ungewolltes Kind zu sein. Außerdem hört sie von ihrer Mutter, sie sei unbegabt. Erst sehr spät findet Chiara zu sich selbst – und einen passenden Ehemann. Aber ihre aus einer früheren Beziehung stammende Tochter rebelliert gegen sie und entzieht sich ihr schließlich ganz.

 

Die Charaktere der Protagonistin und der Nebenfiguren hätte Ida Casaburi in ihrem Roman "C wie Chiara, D wie Davonfliegen" etwas farbiger herausarbeiten können, aber die einige Jahrzehnte überspannende Geschichte ist lebendig, turbulent und mitreißend. Mit Ausnahme eines einmaligen Vorgriffs auf Ereignisse 20 Jahre in der Zukunft (Schlaganfall und Tod Eleonoras) entwickelt Ida Casaburi das Geschehen chronologisch. An Einfällen mangelt es in "C wie Chiara, D wie Davonfliegen" nicht: Mit überbordender Fantasie führt

uns Ida Casaburi von einer Wendung zur anderen, ohne sich dabei in Ausuferungen zu verlieren; im Gegenteil: Sie erzählt stringent und temporeich.

 

Geschickt beendet sie einige Abschnitte mit einem Cliffhanger. Pointen bereitet sie mitunter viele Seiten im Voraus vor und setzt sie dann um so wirkungsvoller. Trotz zahlreicher Vergleiche gibt die Sprache sich einfach. Eine Besonderheit des ersten Teils sind italienische Einsprengsel, sowohl Wörter als auch Idiome. Und das ganze Buch funkelt vor Sprachwitz. Fazit: Mit dem tragikomischen Roman "C wie Chiara, D wie Davonfliegen" bietet Ida Casaburi ein besonderes Lesevergnügen.

 

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